Ein Beitrag für ein Manager Magazin – 22.5.2014 – von Matthias Kletzsch
Wie Konflikte funktionieren!
Es gibt Momente da wissen Sie plötzlich, dass Sie einen Konflikt vor sich haben. Sie spüren, dass eine Situation dabei ist aus dem Ruder zu laufen und ahnen dass dies zu einem größeren Debakel werden könnte. Bevor es andere merken, Sie wissen es einfach, Ihr Bauch zieht sich etwas zusammen und in Ihr Gehirn hat sich bereits selbstständig gemacht und durchspielt die Szenarien der am wahrscheinlichsten erscheinenden Katastrophen-Abläufe.
Aber bei manchen Menschen geht dies noch weiter, Sie durchspielen nicht nur die möglichen Dramas, sondern auch die gebotenen Lösungen wie das Ganze am Ende aussehen könnte oder welche Reaktionen Sie ansetzen könnten, um die Situation zu drehen.
An dieser Stelle möchte ich nur kurz auf die physischen Abläufe eingehen, es sei hier nur die Rolle des Adrenalin erwähnt. Adrenalin ist nicht nur das hervorragende Aufputsch-Mittel und Hormon welches ein enormes Durchhalte-Potential aufrecht erhält, sondern hilft auch dabei, die Konzentration genau auf einen Punkt zu lenken, eine Art Fokussierung um den Konflikt zu genau zu analysieren und unser Gehirn auf Lösungsansätze zu lenken. Doch schauen wir uns das einmal aus einer anderen, einer Art psychomechanischen Warte aus an, wie sie ein exzellenter und leider 1995 verstorbener Schweizer Wissenschaftler bereits in den 70ern formuliert hat.
Das Gehirn ist eine Telefonzentrale
Der schweizer Prof. Dr.Dr.Dr. Wilder Smith* war mehrfacher Lehrstuhlinhaber, Autor und Co-Autor von mehr als 70 wissenschaftlichen Publikationen, auch zu psychologischen Themen, hatte einmal einen Vortrag vor uns zum Thema „Das Gehirn und dessen Rezeptoren“ gehalten und verglich dabei das Gehirn mit einer Telefonzentrale.
Er meinte damit also eine durch eine bestimmte Anzahl limitierte Zentrale, ein Trichter welche in der Anzahl von Annahmestellen von Informationen eben nur eine bestimmte Kapazität besitzt. Alle Ansprüche unserer Umgebung senden Reize an uns, optische, auditive, Sprachmuster, emotionale Botschaften, Farbnuacen von Tönen und so weiter. Die Reize kommen genau wie einer Telefonzentrale als Anrufe in unser System (limbisches System) hinein, müssen einmal durch diese Telefonzentrale der Wahrnehmung und belegen dann dort eine Leitung bis der komplette Prozess abgearbeitet ist. Ähnlich wie bei einer Telefonzentrale, bei welcher ein Anruf weitergeschaltet wird bleibt die Hauptleitung trotzdem besetzt.
Die Telefonzentrale hat also eine begrenzte Kapazität, allerdings gibt es bei schwereren Konflikten dann meistens doch noch ein paar weitere rote Telefonleitungen. Eine oder mehrere zusätzliche geheime Leitungen sind vorhanden, die wir, dank Adrenalin, zuschalten können.
Der Sinn der Telefonzentrale ist nun die Erfüllung einer ganz schlichten Aufgabe. Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen und nur diejenigen für uns als Relevant erkannten Botschaften durchzulassen zu unserer Wahrnehmungszentrale. Fragen Sie mal eine Vorstandsekretärin nach dem Chef.
In der Regel funktioniert dies einwandfrei. Trotzdem können Sie an dieser Stelle schon erkennen, eine Telefonzentrale hat immer eine begrenzte Kapazität und es gibt viel mehr Informationen die gar nicht bis zur Zentrale vordringen weil die eventuelle gerade völlig besetzt ist. Wichtiges kann eine ganze Zeit noch aussortiert und weiter gegeben werden, aber ab einer bestimmten Menge kommt selbst das Allerwichtigste nicht mehr durch. Eine bestimmte Menge an Informationen kann verarbeitet werden und der Rest, wird einfach nicht angenommen. Leitung belegt „… tut … tut… tut, der Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar“. Sie kennen das. Dies geschieht zum Schutz unser Innenwelt, vor der Überlastung der psychischen Systeme und ist beim Menschen nötig, um überhaupt reibungslos im täglichen Leben funktionieren zu können.
Überempfindlichkeit gibt es nicht
Am Anfang der 1980 Jahre hat dann die US-amerikanische Wissenschaftlerin und Psychologin Elaine N. Aron heraus gefunden, das ungefähr 15% der Menschen eine größere Telefonzentrale haben als andere.
Genauer ausgedrückt, sagt die Quelle Wikipedia: Der Thalamus funktioniere bei hochsensitiven Personen (HSP) anders als bei nicht-hochsensitiven Personen, so dass mehr Reize als „wichtig“ eingestuft werden und damit das Bewusstsein erreichen.
Dadurch leiden diese Menschen dann auch unter erhöhten Reizflutungen. Man bezeichnet diese Menschen als HSP, High sensitive Person. Meist schon in frühester Jugend als zu empfindlich abgestempelt und völlig verkannt. „Sei doch nicht so empfindlich“ oder „die oder der ist so ein Sensibelchen“, bekommen sie unberechtigt oft zu hören. Denn sie sind weder überempfindlich noch ausfallend emotionsgeladen ausgerichtet. Meisten benötigen diese Menschen einfach eine größere Erholungsphase nach eindrücklichen Erlebnissen, großen Veranstaltungen, engen Meetings oder eben auch bei Konflikten. (ich gebe es zu, bin selber einer davon)
Doch kommen wir zum Rest der Menschen. Ca. 85% arbeiten mit einer durchschnittlichen guten Telefonzentrale welche ein bestimmtes Maß an Informationen verarbeitet. Dafür zuständig sind eben die speziellen Hirnteile wie der Hypothalamus und der Thalamus, sie nehmen die Sinneswahrnehmungen an und arbeiten die entsprechenden Prozesse ab.
Tritt nun ein Konflikt auf, sind natürlicherweise mit zunehmender Konflikt-Informationsdichte eine große Menge an Botschaften bzw Signale zu verarbeiten. Doch die Telefonzentrale und die Leitungen sind dabei dann ziemlich schnell belegt und Botschaften kommen nicht mehr hinein. Lassen Sie mich dies mit einem umgekehrten Beispiel erläutern. Stellen Sie sich vor, Sie hauen einen Nagel in die Wand und unverhofft schlagen Sie sich damit auf den Daumen. Was tun Sie? Sie stehen besonders ruhig da und schauen auf den blutenden Finger? Nein, im nächsten Moment fangen Sie an zu tanzen und zu brüllen, bewegen Ihre Hüften als hätten Sie einen Tangowettbewerb vor sich. Warum tun Sie dass? Dies ist ein ganz einfacher Trick unserer Natur, mit jedem Reiz den wir in Ihre Telefonzentrale senden, wird eine Leitung besetzt und die Reize des Schmerzes rücken nicht mehr so stark in den Vordergrund.
Wir dröhnen uns zu, könnte man sagen und dass kennen wir aus sehr vielen anderen Gelegenheiten, nicht wahr. Ein probates Mittel bei Beziehungskonflikten ist dabei der Fernseher. Wir alle streben nach dem Normalzustand, dem Frieden und einer wohlfühlgerechten Temperatur in der Telefonzentrale.
Diese Telefonzentrale und Ihre Aufgabe sowie die Verarbeitung der Informationen bilden ein System. Eine systemische Einheit, welche uns im System der täglichen Konflikteinheiten hilft, die Oberhand zu behalten. Denn alles herum ist ständig auf der Suche nach Lösungen von Konflikten. Tatsächlich besteht unsere Arbeit oder Zusammenarbeit aus nichts anderem als aus dem Klären von kleinen Einheiten, die sich auch als Konflikte unterschiedlicher Systeme darstellen lassen. Ein Kugelschreiber der nicht zur Hand ist und besorgt werden muss ist ebenso ein systemischer Konflikt, der die Telefonzentrale nutzt, wie die lautstarke Auseinandersetzung mit dem Ehepartner.
Häufen sich nun die Konflikte, überlasten die Telefonzentrale sozusagen über Gebühr, werden immer mehr Leitungen für diesen Konflikt benötigt. Sind dann fast alle Leitungen mit einem Konflikt beschäftigt sind wir kaum mehr in der Lage andere Signale zu verarbeiten.
Die zunehmend komplexere Welt hat nun die Menge an eintreffenden Signalen innerhalb einer einzigen Generation um das 5000 Fache steigen lassen. Unser lymbisches System ist nicht damit gewachsen. Wir leben immer noch mit derselben Telefonzentrale wie vor 6000 Jahren.
Ein Konflikt unter Unternehmern, Familien, Ehepaaren und innerhalb von Gruppen, seien es Mitarbeiter oder nahstehende Personen ist somit auch eine solch starke Überlastung der Telefonzentrale geworden, dass den meisten beteiligten Personen nichts anderes übrig bleibt als ihre Telefonzentralen komplett mit den Konfliktlösungen zu belegen und ansonsten abzuschotten. Dieser Zustand ähnelt einem Drogennutzung, was manches Verhalten verständlicher macht. Man kann dies auch tatsächlich künstlich mit Drogen herbeiführen, welche dann Teile der Telefonzentrale lahm legen und so die Zufuhr an Reizen von außen unterbrechen.
Diese immense Zunahme an Telefonleitungskonflikten lassen eine Vielzahl an Informationen nicht mehr durch. Zu viele Botschaften müssen einfach nur deshalb gekappt werden, um überhaupt ein geistig gesundes Überleben möglich zu machen. Fast niemand ist mehr in der Lage einen Konflikt tatsächlich vorbehaltlich aller Lösungsmöglichkeiten zu analysieren oder zu einem für allen Beteiligten befriedigendem Ergebnis zu bringen. Die Kompromisse lassen auf der Manageretagen immer mehr innerlich frustrierte, nach außen nur funktionierende, Mitarbeiter mitlaufen. Das Petersprinzip* und das mit zunehmenden Alter Nachlassen der Elastizität und Resilienz*, tut dann das Übrige, so dass viele in einem Burnout dann das Handtuch werfen.
Überempfindlichkeit sind immer die anderen
Doch, wir sind auch mit einem hervorragenden analytischen System ausgerüstet und im Grunde sind wir alle hervorragende Konflikt- und Schwachstellen-Analytiker. Sehen wir von Außen in das System eines anderen, erkennen wir sehr oft mit analytischer Treffsicherheit und schnell die Konfliktpotentiale und können diese meist auch gut benennen. Doch stecken wir selber in einem Konflikt, stecken wir meistens systemisch und selbstblind fest. Wir sind so in unserer Telefonzentrale selbst überlastet, deshalb können wir gar einen Überblick haben. Vielleicht sind Sie besonders mit vielen Leitungen und einem entsprechenden große Verarbeitungssystem ausgestattet, dann können Sie eventuell ein paar Hundert Impulse und Botschaften am tage verarbeiten. Aber bei den modernen Konflikten treten manchmal zig zehntausende Informationen ein, dabei ist jedes lymbische hoffnungslos überfordert. Was für ein Vorteil ist doch, dass wir nicht alleine auf der Welt leben. Zwar ist das Gegenüber auch der Herd des Konfliktes, aber ein anderes Gegenüber kann auch die Lösung sein. Wie wir ja selber schon für uns fest gestellt haben sind wir heute Konfliktlöser sobald wir in eine System hineinschauen.
Sobald also jemand unser System offen legt und wir bereit sind zu Erkennen, dass wir nur in einem System stecken und man dieses sehr wohl gestalten kann, öffnen sich Perspektiven auf die man im Konflikt steckend eben nicht kommt, da die Telefonzentrale ja aus Überlastungsgründen eine objektive Bewertung nicht mehr zulässt.
u.s.w. …
ich schicke Ihnen gerne den ganze Artikel, kontaktieren Sie mich hier
* https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Ernest_Wilder-Smith
* https://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip
* https://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz_(Psychologie)